23 Mrz Bundeskonferenz der Betreuungsvereine
Klausurtagung der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine 22.03.2018
Gestern fand in Magdeburg die Klausurtagung der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine in Deutschland (BUKO) statt – siehe den Tagungsflyer BUKO 2018_03_22. Im Zentrum standen die beiden Impulsreferate der profilierten Betreuungsrechtler Prof. Dr. jur. Fröschle und Horst Deinert. Beide nahmen die seit Herbst 2017 vorliegenden Ergebnisse der vom BMJV in Auftrag gegebenen Studien zur „Qualität in der Rechtlichen Betreuung“ (ISG-Studie) und zur „Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes“ (IGES-Studie) zum Anlass, konkrete Änderungsvorschläge in den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu vorzustellen. Dies beträfe nicht nur die Arbeit der Rechtlichen Betreuer durch Änderungen im Betreuungsrecht §§ 1896ff. BGB hinsichtlich einer Akzentverschiebung von der reinen Vertretungshandlung hin zu mehr Assistenz (Umsetzung des Art. 12 UN-BRK), sondern auch die der Betreuungsbehörde als Schnittstelle zwischen dem betreuungsrechtlichen und dem sozialrechtlichen Unterstützungssystem.
Prof. Fröschle betonte eindringlich, dass eine Betreuerbestellung immer einen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellt und schon deshalb nur das letzte Mittel im Hilfesystem sein kann. Der daraus abzuleitende Erforderlichkeitsgrundsatz verlangt von den Trägern der Sozialfürsorge, ihrer vorrangigen Pflicht der Hilfestellung nachzukommen. Das Ergebnis der IGES-Studie widerspiegelt allerdings ein umgekehrtes Bild, das jeder Rechtliche Betreuer kennt: soziale Hilfen werden von Leistungsträgern und z. T. von Leistungserbringern verweigert, weil man Rechtliche Betreuung stillschweigend als möglichen Ausfallbürgen in Anspruch nimmt. Bei der Abgrenzung der Rechtsfürsorge (rechtliche Hilfeeinforderung) von der Sozialfürsorge (tatsächliche Hilfeleistung) sollten Rechtliche Betreuer/innen nicht nur als Einzelkämpfer für die Rechte ihrer Klienten im jeweiligen Einzelfall streiten müssen. Vielmehr wäre die Abgrenzung und Koordinierung der beiden Unterstützungssysteme durch die örtliche Betreuungsbehörde im Rahmen des § 4 Abs. 2 BtBG im Verbund mit den Sozialleistungsträgern einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen. Als Referenz gilt hierfür noch immer die Empfehlung des Deutschen Vereins von 2008, welche die unterschiedlichen Zielstellungen von Sozial- und Betreuungsrecht klar herausgearbeitet hat.
Sätze wie „Sie als Betreuer mit Gesundheitssorge müssen doch den Arztbesuch von X gewährleisten“ oder „Sie haben doch die Vermögenssorge und müssen für die Geldeinteilung für Y sorgen“ sollten endlich der Vergangenheit angehören! Eine kleine Änderung könnte hierbei von großer Hilfe sein: die Funktionsbezeichnung beschränkt sich von allen Seiten in der Praxis auf die Nennung „Betreuer“, was zwangsläufig im Unterbewusstsein eine vollumfängliche Hilfestellung suggeriert. Das Mindeste sollte der Aufwand sein, dass man „Rechtliche Betreuung“ immer vollständig und beide Wörter mit großen Anfangsbuchstaben schreibt. Nur hat dies wenig Effekt auf die mündliche Betreuungsarbeit. Prof. Fröschle schlug deshalb mit einem Seitenblick auf die österreichische Sachwalterschaft den Begriff „Erwachsenenvertreter“ vor – eine sicher noch nicht abgeschlossene Diskussion die weitere Vorschläge benötigt. Hierbei sollte eines beachtetet werden: die Untauglichkeit des Betreuer-Begriffs hat sich gerade wegen der fehlenden Begriffsschärfe im Unterschied zu anderen Betreuungsbereichen erwiesen. Deshalb sollte ein neuer Begriff gerade das Alleinstellungsmerkmal im Rechtlichen Betreuungssystem enthalten, und dies besteht nun einmal in der Vertretungsmacht, auch wenn sich Rechtliche Betreuung angesichts Art. 12 UN-BRK nicht darauf beschränken soll.
Herr Deinert betonte in seinem Vortrag die besondere Rolle, die Betreuungsvereine im Betreuungswesen spielen. Durch ihren doppelten Arbeitsauftrag, Führung von Betreuungen und Beratung von ehrenamtlichen Rechtlichen Betreuer/innen und Bevollmächtigten, sind sie sowohl mit der alltäglichen Detailarbeit in der Betreuungspraxis als auch mit grundsätzlichen Fragen im Betreuungsrecht vertraut. Von ihrer Erfahrung profitieren nicht nur ihre Klienten, sondern auch die Öffentlichkeit und deren Haushaltung, wenn durch gezielte Beratung die Anzahl von Rechtlichen Betreuungsverfahren im Zaum gehalten wird. Leider wird diese zusätzliche Beratungsarbeit nur unzureichend durch die dafür möglichen Mittel das Landes kompensiert – eine Stunde Beratungsarbeit wird letztlich schlechter vergütet als eine Stunde Betreuungsarbeit, obwohl der Spareffekt für die öffentlichen Haushalte größer ist. Zudem ist die Bereitstellung der Mittel mit einem immensen Dokumentations- und Nachweisaufwand verbunden, so dass viele Betreuungsvereine mittlerweile von der Beantragung der Mittel und der Beratungstätigkeit Abstand nehmen.
Die miserable finanzielle Situation der Berufsbetreuer im Allgemeinen und der Betreuungsvereine im Besonderen stand naturgemäß im Zentrum der leidenschaftlich geführten Diskussion zwischen Referenten, Interessenvertretern der Verbände und Vereine und Frau Schnellenbach als Referatsleiterin für Betreuungsrecht im BMJV. Da sich die finanzielle Lage besonders der Vereine mit jeder Verzögerung der Anhebung der Stundensätze wie der Stundenansätze weiter zuspitzt, wurde deren existenzielle Situation von einem Teilnehmer so zusammengefasst: „Heute stehen wir vor dem Abgrund, morgen sind wir vielleicht einen Schritt weiter.“ Tatsächlich dokumentierte Stephan Siguschs Kurzbericht der Ergebnisse einer BUKO-Blitzumfrage zur Situation der Vereine deren desolate Lage mit eindrucksvollen Zahlen. Die Mehrheit aller Betreuungsvereine deutschlandweit rechnet mit einer baldigen Auflösung, da die Refinanzierung auf absehbare Zeit nicht mehr gegeben sein wird. Bei aller Komplexität im verwickelten Betreuungsrecht und zu den an- und abgegrenzten Bereichen vornehmlich der Sozialfürsorge wird zwar der Handlungsbedarf auf der Ebene der Legislative mittlerweile eingesehen. Dennoch sorgen kleinteilige Arbeitsgruppen, die vornehmlich Strukturfragen für eine zukünftige neue Koordinierung von Rechtlicher Betreuung diskutieren, für genügend Ablenkung, um sofortige Maßnahmen zur minimalen Existenzabsicherung der Vereine aus dem Blick geraten zu lassen. So zeigte sich Frau Schnellenbach überrascht über die geschilderte Drastik der aktuellen Situation, aber auch über die weitreichenden Veränderungsvorschläge, die von Seiten der Referenten vornehmlich zu möglichen Strukturveränderungen, von Seiten der BUKO, des BdB und der einzelnen Vereine im sog. Kasseler Forum zu der Vergütungsänderung vorgelegt wurden. Während erstere verständlicherweise leichter auf Anerkennung bei der Referatsleiterin stoßen konnten, äußerte diese Vorbehalte zu den vorgeschlagenen Vergütungsänderungen. Hier ist ein fortgesetzter Kampf mit ungleichen Mitteln zu erwarten, denn von streikenden Rechtlichen Betreuern hat noch keiner gehört.
Der Schwarze Peter liegt hier bekanntlich im Bundesrat, nachdem dessen Blockade der Gesetzesvorlage die notwendigen Reformen auch 2017 verhindert haben. Zwar liegen die geforderten Studien nunmehr vor und zwar weisen die Handlungsempfehlungen in die seit Jahren bekannte Richtung einer Erhöhung der Stundensätze. Dennoch wird in einigen Ländern die eklatante Situation im Betreuungswesen noch nicht richtig wahrgenommen. Hier ließen die vagen Andeutungen der Justizministerin, Frau Anne-Marie Keding, zumindest für Sachsen-Anhalt leise Hoffnung aufkeimen, als diese in ihrem Grußwort andeutete, dass man in Magdeburg Haushaltsänderungen für den Betreuungssektor eingeplant habe – wann und in welcher Höhe konnte natürlich nicht angegeben werden.
Der Betreuungsverein Kleeblatt wird wie die meisten anderen Vereins- und Berufsbetreuer weiterhin versuchen, dass die Betreuten von der miserablen wirtschaftlichen Situation der Rechtlichen Betreuer so weit wie möglich verschont bleiben. Dazu bleiben wir auf Ihre tatkräftige Unterstützung angewiesen.
Dessau-Roßlau, 23.03.2018
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